Bei der Herkunft des Begriffes „Schamane“ wird oft auf das Wort „shaman“ verwiesen, das aus der Sprachfamilie der Tungusen kommen soll, einem Volk welches das heutige Sibirien und Teile der Mongolei bewohnte. Der Begriff „shaman“ hat bei dieser ethnischen Gruppe eine Doppelbedeutung und kann mit „der Verzückte, der aus der Fassung Geratene, der Ekstatische“, aber auch mit „der Wissende“ übersetzt werden. Eine eindeutige Klärung gibt es jedoch nicht.
Aber was genau ist ein Schamane? Der Anthropologe Michael Harner schreibt, ein Schamane ist ein „Mann oder eine Frau, der oder die – willentlich – in einen anderen Bewußtseinszustand eintritt, um mit einer normalerweise verborgenen Wirklichkeit in Berührung zu kommen und sie auszuwerten, um Wissen, Kraft und Hilfe für andere zu erhalten“ (Michael Harner: „Der Weg des Schamanen“).
Schamanen sind reisende zwischen den Welten. Sie sind Mittler zwischen Geistern bzw. der Natur und Menschen, zwischen der Alltäglichen/Rationalen und der Nicht-alltäglichen/Irrationalen Welt (Anderswelt).
Mit Hilfe von Rasseln, Trommeln oder auch psychoaktiven Pflanzen (von denen ich mich hier ausdrücklich distanziere) verändert der Schamane seinen Bewusststeinszustand und begibt sich in Trance, um die Anderswelt betreten zu können. Diese Techniken der schamanischen Reise werden seit Jahrtausenden genutzt, um zum Beispiel Ratschläge bei der Behandlung von Kranken zu bekommen oder mit den Seelen Verstorbener zu kommunizieren.
Schamanismus stellt Kultur, Weltbild und eine Jahrtausende alte Heiltradition, basierend auf alternativem Heilwissen, dar. Auch wenn der Schamane sehr eng mit Spiritualität, Göttern und Geistern in Verbindung steht, so ist Schamanismus weder Religion, Glaubenssystem oder Dogma, sondern ein Weg, der auf direkter Erkenntnis durch persönlich gemachte Erfahrungen beruht.
Nicht nur im asiatischen Raum, in Afrika, Nord- und Südamerika oder Australien war der Schamanismus verbreitet. Auf dem ganzen Erdball verteilt finden sich Völker mit schamanischen Wurzeln. Am bekanntesten sind wohl in erster Linie die Indianer Nordamerikas, die Tibeter und Mongolen und die Inuit. Auch in Europa sind schamanische Elemente zu finden wie zum Beispiel bei den keltischen und germanischen Stämmen, die nach einer dem Schamanismus ähnlichen Philosophie lebten. Allerdings sind die schamanischen Wurzeln in Europa vor einigen Jahrhunderten von der kirchlichen Inquisition verdrängt oder besser gesagt ausgerottet worden.
Das schamanische Weltbild geht davon aus, dass es neben der materiellen auch eine unsichtbare Welt gibt, die bei den meisten Kulturen dreigeteilt dargestellt wird. Miteinander verbunden werden diese drei Welten durch einen Baum als vertikale Achse. In der nordischen Mythologie verkörpert Yggdrasil (der Name einer Esche) als Weltenbaum die gesamte Schöpfung. Als Weltachse verbindet er dabei die drei Ebenen Himmel oder Obere Welt (Asgard, die Götterwohnung), Mittlere Welt (Midgard, die Menschenwelt) und Untere Welt (Utgard, das Reich der Dämonen und Riesen).
Die Untere Welt ist der Ort der helfenden Geister. Hier finden wir unsere Krafttiere, aber auch Geister der Pflanzen und Elementarkräfte. Von ihnen kann der Schamane viel lernen und wertvolle, hilfreiche Ratschläge erhalten. Ebenfalls sind hier auch verirrte Seelen oder verloren gegangene (abgespaltene) Seelenanteile zu finden, die entweder ins Licht oder zu ihrer Heimatseele zurückgeführt werden können.
Die Mittlere Welt wird von den Schamanen als der spirituelle Bereich unserer physischen Welt verstanden. Hier sind oftmals die Geister der Ahnen anzutreffen, genauso wie verirrte Seelen, die nach dem Tod den Weg ins Licht nicht gefunden haben oder nicht ins Licht gehen wollten. Auch die Naturgeister, die Devas, das „kleine Volk“ lebt hier.
Die Obere Welt ist der Ort der spirituellen Lehrer, die meist in menschlicher Gestalt erscheinen. Hier erhält der Schamane vor allem Informationen, die den eigenen Seelenplan, den eigenen Weg betreffen.
Im schamanischen Weltbild ist alles beseelt, alles hat eine Seele, alles was uns umgibt ist lebendig. Sei es nun der Grashalm auf der Wiese oder der Stein am Wegesrand. Mit all diesen Seelen kann der Schamane kommunizieren. Bei den Lakota-Indianern drückt sich dies sehr treffend in ihrer Lebenseinstellung „Mitakuye Oyasin“ aus. Ins deutsche übersetzt bedeutet dies soviel wie „Wir sind alle miteinander verwandt“. Das trifft die Aussage der Lakota aber nicht so richtig. Besser wäre: „Ich bin mit allem verwandt“. Mit allem, also mit Wasser, Feuer, Luft, Erde, mit jedem Tier und jeder Pflanze, mit Vater Sonne und Mutter Erde, mit jedem Stein, selbst mit jedem Sandkorn, einfach mit allem was existiert. „Mitakuye Oyasin“ will also aussagen, dass der Mensch weder die Krone der Schöpfung, noch das oberste Glied der Evolution ist. Er gehört lediglich dazu, er ist EIN Teil davon.
Die Ursachen für Krankheiten bzw. „Unpässlichkeiten“ haben im Schamanismus überwiegend einen seelischen Hintergrund. Dabei können traumatische Erfahrungen, Schocks, emotionale Verletzungen oder auch der Tod eines nahestehenden Menschen Blockaden hervorrufen, die sich in Unpässlichkeiten des Körpers bemerkbar machen. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Abspaltung von Seelenanteilen. Das bedeutet, dass die Seele in einem gewissen Aspekt so tief, so schwer verletzt worden ist, dass sich der betroffene Teil vom Rest der Seele abspaltet, damit dieser weiterhin „funktionieren“ kann.
Schamanische Heilarbeit wendet sich immer an alle Aspekte des Menschen, nämlich Körper, Geist und Seele. Die Schulmedizin kümmert sich um die Symptome, der Schamane behandelt auf seelischer Ebene.
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